Die BL nimmt Abschied…
geschrieben von Matthias Funk
Die Berliner Liedertafel 1884 nimmt Abschied von unserem langjährigen Ehrenmitglied und Freund unserer Chorgemeinschaft, dem Komponisten und Musikwissenschaftler,
Herrn Prof. Dr. Heinrich Poos.
Heinrich Poos verstarb am Mittwoch, dem 19. August im Krankenhaus, in welches er eine Woche zuvor eingeliefert wurde. In dieser Woche arbeitete er noch in der Klinik musikwissenschaftlich und tauschte sich mit seinem Sohn, Dr. Christian Punckt, über vorliegende Ergebnisse aus. Beide erörterten auch Pläne für künftige Projekte. Am Mittwoch versagten plötzlich die Kräfte und er schlief sanft und ruhig ein.
Prof. Poos stand im 92. Lebensjahr; ihm wurde am 1. Dezember 1974 die Ehrenmitgliedschaft der BL angetragen. In allen BL-Konzerten seit dieser Zeit wurden Lieder, Lieder-Zyklen oder musikalische Legenden von Heinrich Poos aufgeführt, u. a. auch solche, die er eigens für die Berliner Liedertafel komponiert oder ihr gewidmet hat. Mehrere Konzerte ausschließlich mit Kompositionen und Chorwerken von Prof. Poos brachte die BL zur Aufführung. Kindheit und Grundschulzeit verbrachte Heinrich Poos als Sohn des Pfarrers Dr. Heinrich Poos und seiner Ehefrau Gertrud zunächst in Hilden am Rhein. Als 9-jähriger erlebte und erlitt er mit seiner Familie den „Kirchenkampf“ der Nazis, in Folge dessen der Vater nach Rosenthal/Neumark (heute Różańsko/Polen) strafversetzt wurde. Dort sowie später in Soldin und Neudamm ging er auch zur Schule. Vier Jahre später erfolgte wiederum eine Versetzung des Pfarrers Dr. Poos. Diesmal leistete er seinen Pfarrdienst in der Friedenskirche in Berlin-Niederschönhausen. Und der nunmehr 13-jährige Heinrich erhielt seinen ersten Klavierunterricht. Das Kriegsende erlebte die Familie in Rastede bei Oldenburg, wo der Vater eine Pfarrstelle antrat. Von 1946 bis 1947 besuchte er in Oldenburg das Gymnasium, nahm Orgelunterricht und legte in der dortigen Lamberti-Kirche die kirchenmusikalische C-Prüfung ab. Die neue Aufgabe des Vaters führte die Familie Poos in die Mark Brandenburg nach Treuenbrietzen. Heinrich schloss seine Schulzeit in Jüterbog und danach in Potsdam ab, wo er 1949 die Abiturprüfung an der Wilhelm-von-Humboldt-Oberschule ablegte. Als Sohn eines Pfarrers hatte Heinrich in der DDR keine Chance, seinem Wunsch entsprechend, zum Mathematik-Studium an der Berliner Humboldt-Universität zugelassen zu werden. So beschied er sich mit einem Kirchenmusikstudium an der Berliner Kirchenmusikschule und studierte daneben Mathematik an der neu gegründeten Freien Universität Berlin. Während die Familie des Pfarrers Dr. Poos im Jahre 1950 nach Westdeutschland übersiedelte, blieb der inzwischen 22-jährige Student in Berlin, legte an der Kirchenmusikschule sein Staatsexamen (A-Prüfung) ab und verdingte sich als Kirchenmusiker. Dabei setzte er sein Musikstudium an der HfM fort und belegte dort die Fächer Komposition und Dirigieren.
1958 heiratete Heinrich Poos Annemarie Steiner, die ihm die Kinder Johanna (1958), Katharina (1961) und Alexandra (1966) zur Welt brachte. Auch beruflich entwickelte sich der fleißige und ehrgeizige Musiker fort, indem er ab 1960 an der FU Berlin Musikwissenschaften, Philosophie und Theologie belegte und 1965 zum Dr. Phil. promovierte. Lange zuvor schon war der Grundstein für die musikwissenschaftliche Lehrtätigkeit gelegt worden. Dr. Poos wurde Lehrbeauftragter für Musiktheorie an der TU Berlin und an der HfM. 1971 wurde er Professor für Musiktheorie an der HdK Berlin (der früheren HfM). Im Jahre 1976 wurde Sohn Christian geboren.
Es folgten nationale und internationale Kompositionspreise für Prof. Poos, aber auch wissenschaftliche Anerkennung, beispielsweise durch die Gastprofessur für Musikwissenschaften an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt a. M. sowie die Berufung in den Landesmusikrat des Landes Rheinland- Pfalz. 1987 verlieh ihm der Bundespräsident für seine vielfältigen Verdienste das Bundesverdienstkreuz am Bande.
1989 heiratete Prof. Dr. Poos Cornelia Richter, die ihm 1995 Tochter Henriette zur Welt brachte. In seinem Geburtsort Seibersbach war er bis zuletzt zu Hause. Dort fand er auch die Ruhe zum Komponieren und zu den Vorbereitungen seiner Vorlesungen in Frankfurt a.M.
Der Berliner Sängerbund ehrte Prof. Dr. Poos aus Anlass seines 75. Geburtstages mit einem Jubiläumskonzert in der Kirche, in der er 10 Jahre Kantor gewesen ist: In der Grunewaldkirche in Berlin-Wilmersdorf. Auch die BL sang ihren Part, womit wir uns sehr geehrt fühlten.
Die besondere Bindung des Jubilars zur BL geht übrigens zurück auf eine vorübergehende Spaltung des Chors. Heinrich Poos übernahm damals die musikalische Leitung des Chores der „Neuen Berliner Liedertafel“, was ihn nicht daran hinderte, einen Beitrag zur „Wiedervereinigung“ der beiden Gruppierungen zu leisten. Er unterstützte in Folge die Zusammenarbeit des neuen Chorleiters Marek Bobéth und verhalf auch durch sein Engagement dem Chor der BL großes Leistungsvermögen und entsprechende Anerkennung.
Wir sind stolz darauf, diesen Mann in unseren Reihen gehabt zu haben und werden Seiner ehrend gedenken.