Chorreise nach Ribe / Dänemark
oder „Warum die Berliner Liedertafel in Dänemark bis nach Texas gehört wurde…“
Teil I
Freitag, 2. Juni 2023
Abfahrt Bahnhof Zoo, 9.01 Uhr: Noch schnell das Schild „Berliner Liedertafel“ am Rückfenster des Reisebusses befestigt und an den Seiten die vom stellvertretenden Schriftführer und Homepage-Beauftragten Matthias Funk kunstvoll gestalteten Plakate „Chorfahrt der Berliner Liedertafel 1884 nach Ribe / Dänemark“ und los ging es.
Aber halt! Zunächst wurden noch eingeladen: neben dem Gepäck der 50 Reisenden (3 Personen fuhren mit dem Auto) zwei Kästen Berliner Bier, vier Six-Packs „Berliner Weiße“ und 1 Präsentkorb mit Berliner Spezialitäten. Geschenke der Berliner Liedertafel 1884 e.V. für den Ribe Mandskor 1860 als Dank für die Einladung. Und dann gab es noch jede Menge flüssige Verpflegung, gespendet von unserem Schatzmeister Gerd Bülow, der leider nicht mitfuhr. Kurzfristig hatten sich auch unser Ehrenpräsident Jörg Kramer nebst Gattin Ulla abgemeldet. Schade, aber beide wurden per Smartphone und Facebook stets über unsere Aktivitäten informiert.
Im Bus ging Raimund Groß, Präsident der Berliner Liedertafel, noch einmal die Anmeldeliste durch und stellte die Vollzähligkeit fest. Busfahrer Hans (Seemann-Reisen, unbedingt empfehlenswert!) begrüßte die Gruppe. Und dann stellte sich heraus, dass Hans die Berliner Liedertafel schon mindestens einmal zu einer Fahrt, Ende der 1990er Jahre nach Freiberg im Erzgebirge, begleitet hat.
Er war eine ruhige Fahrt, zumindest bis zum ersten Zwischenstopp am Rastplatz Stolpe. Die Sonne schien, es ist noch Morgen und so begrüßten wir nach Anweisung des Chorleiters Vincent Jaufmann das „Morgenrot“ (Robert Pracht). Anschließend wurde es im Bus wesentlich lebhafter. Peter Ruttkowski verteilte 1 (eine) Pellkartoffel und es gab die erste Lage. Dieses freudige Ereignis musste natürlich besungen werden. War es vor oder nach dem zweiten Halt auf dem Rastplatz „Hüttener Berge“ - es gab ein 3-Gang-Menue vom Busfahrer - als plötzlich Akkordeon-Klänge zu hören waren. Thommy spielte zunächst französische Stücke, anschließend „Hallelujah“ (Stichwort: Leonard Cohen), fast alle Reisenden sangen mit, und für alle Frauen, die heute nicht mitfahren durften oder konnten (Originalton des Musizierenden) ertönte danach „Fallin’ in Love with you“ (Stichwort: Elvis). Was für eine schöne Busfahrt!
Ankunft dann gegen 17 Uhr: ein herzlicher Empfang durch den Ribe Mandskor 1860, mit deutschen und dänischen Fähnchen. Es ging zum Einchecken und um 18 Uhr gab es ein warmes Abendessen im Speisesaal des Danhostels.
Die Dänen hatten für den Abend kein festes Programm vorgesehen, dennoch gab es die ein oder andere Überraschung. Um 19.30 Uhr stimmten wir uns zunächst mit einem geistigen Getränk, gespendet von unseren Gastgebern, sowie einem Lied auf das Stadtfest „Ribe by night“ ein. Rechtzeitig wurde uns noch schnell mitgeteilt, dass, wenn wir an einem Herrenbekleidungsgeschäft vorbeikämen, dort jemand auf uns warten würde. Und in der Tat: der Geschäftsführer begrüßte uns recht herzlich in deutscher Sprache und versprach uns ein Gläschen Rum aus Tonkabohnen. Voraussetzung war aber ein Lied vorzutragen. Dies ließ sich die Berliner Liedertafel nicht zweimal sagen und gab „Aus der Traube in die Tonne“ zum Besten. Bereits vorher schon sangen wir in den Straßen. Es wurde mit Beifall aufgenommen, sogar Zugaben wurden verlangt. Die nächste Überraschung folgte dann am Vorplatz des riesigen Domes. Ein paar Bierbänke waren für uns aufgestellt und das passende Getränk stand schon gekühlt da. Es seien göttliche Gaben von oben, wurde uns erklärt. Bis 22 Uhr saßen wir dort gemeinsam mit unseren dänischen Freunden und sangen einige Lieder. Der Rest des Abends verlief dann individuell. Einige Sangesbrüder und -“Schwestern“ zog es zurück ins Hostel (so auch den Autor und seine Ehefrau), die anderen verbrachten die halbe Nacht (man munkelt bis 3 Uhr) im Ribe Brauhaus, ein ehemaliger Lokschuppen. Soweit der 1. Tag! Die Vorfreude auf morgen war bei diesem großartigen Tag riesig!
Teil II
Samstag, 3. Juni 2023
Heute also der große Tag! Die Spannung steigt, der Auftritt um 16 Uhr in der Sct. Catharinae Kirke steht an! Begonnen hatte der Tag mit einem reichhaltigen Frühstück. (Die Verpflegung im Hostel ist übrigens wirklich gut.) Um 10 Uhr führte uns ein Ausflug zum 7 km entfernten Wattenmeerzentrum, wo wir alles Wissenswerte über das Wattenmeer erfuhren. Sehr lehrreich und informativ war die Ausstellung. Und damit wir uns das Gelernte auch unmittelbar in der Praxis anschauen konnten, fuhren wir direkt ans Wattenmeer. Da wir uns mangels Zeit nicht eine Fahrt mit den Traktorenbussen leisten konnten, versuchten einige junge Sangesbrüder barfuß zur Insel Mandö zu gelangen… Sie schafften es zwar nicht bis dorthin, zum Glück aber bis zum abfahrbereiten Bus…
Die Mittagszeit verbrachten wir wieder individuell, dann trafen sich die Sänger um 15 Uhr zum Einsingen; allerdings nicht in der Kirche, sondern in der Turnhalle des Hostels. Der Grund: die Kirche war wegen einer Hochzeit noch nicht zugänglich. Nach dem Einsingen ging es zur 10 Minuten weit entfernten Kirche. Dort warteten an die 100 Zuhörerinnen und Zuhörer auf uns.
Geplant waren erst der Auftritt der Berliner Liedertafel, dann der des Ribe Mandskor, und zum Schluss gemeinsames Singen beider Chöre.
Wir starteten mit einem russischen Vesperchor, „Jubilate“ von A. Zander komponiert. Es folgten Lieder zum Frühling und zur Natur bis hin zur „Hymne an die Nacht“ von Beethoven. Als dänischen Beitrag sangen wir das Lied „Natten er so stille“, Satz von V.S. Schmelter. Der Ribe Mandskor trug ebenfalls mit seinen dänischen und englischen Liedern zum Gelingen der Veranstaltung bei. Schön zu hören war ihr „Den lyse nat“ von H. Seedorff/L. Estvad. Zum Abschluss des Konzerts sangen beide Chöre gemeinsam Brahms „In stiller Nacht“ und aus der Deutschen Messe von Schubert das „Zum Sanctus“. Letzteres in der Kirche vorzutragen, war schon ein wunderschönes Erlebnis, das allerdings noch eine Steigerung fand. Doch dazu später! Es war nicht leicht in dieser Kirche zu singen, die Akustik war ungewohnt, der Nachhall des Klanges dauerte. In unserem Übungssaal in Berlin sind wir dies nicht so gewohnt. Dennoch erhielten wir viel Beifall vom Publikum.
Den Abend verbrachten wir dann gemeinsam mit unseren dänischen Chorfreunden. Erst das Abendessen im Hostel, und dann der Kommers am Ufer des Flusses „Ribe Å“. Gegen 22.30 Uhr erlebten wir einen fantastischen Sonnenuntergang. Hernach zog es einen Teil wieder zurück zum Hostel, darunter auch wieder den Schreiber dieses Artikels. Ein Fehler, wie sich im Nachhinein herausstellte. Hatten doch einige Sangesbrüder einen Geheimtipp erhalten, wo so spät im Ort noch richtig etwas los sei. Nichts wie hin in diese kleine, zweistöckige Kneipe! Dort wurden dann einige Lieder angestimmt. Das Publikum war begeistert und forderte immer wieder Zugaben. Eine Amerikanerin bat unsere Sänger noch einmal das Lied „Gammel Øl“ vorzutragen, damit ihr Vater in Texas/USA dieses Lied auch hören konnte. Also Smartphone an und los ging es! Und somit klärt sich nun auch die erweiterte Überschrift des Artikels, nämlich „Warum die BL in Dänemark bis Texas gehört wurde“. Ob wir jetzt allerdings nach Texas eingeladen werden, war bis zum Ende der Reise nicht zu erfahren.
Teil III
Sonntag, 4. Juni 2023
Zum Geburtstag viel Glück! Ein
spontanes „Ständchen“ erhielt unser Fördermitglied Lothar Hübner am
Frühstücksbuffet. Alle guten Wünsche sollen sich erfüllen im neuen Lebensjahr,
lieber Lothar!
Danach hieß es Betten abziehen und Auschecken an der Rezeption. Am Hosteleingang wurden wir zu einem Stadtrundgang durch die sehenswerte älteste Stadt Dänemarks erwartet. Finn, Chef des Ribe Mandskor, und dessen Freund Flemming warteten bereits auf uns. Es war eine höchst interessante Führung, vollgespickt mit lauter persönlichen und lokalen Geschichten. So lernten wir das kleinste Haus Ribes kennen. Markus Ehrhardt ist größer als der Hauseingang! Flemming hatte in unmittelbarer Nachbarschaft dort in den 1980er Jahren gewohnt und einen Dokumentarfilm darüber gedreht. Er erzählte von seinem jetzigen Zuhause, als es 1994 eine Überschwemmung im Ort gab und er einen Brunnen graben wollte. Beim Ausgraben der mit lauter Gebeinen gefüllten Erde stellte sich heraus, dass diese von einem uralten Friedhof stammten. Wir erfuhren, dass die Steinplatten vor dem Jacob A. Riss Museum früher vor dem Berliner Reichstag lagen! Leider wusste Flemming nicht den Grund, wieso sie jetzt in Ribe sind. Im alten Rathaus von Ribe finden jährlich an die 1300 Hochzeiten statt. Nicht nur dänische Paare geben dort ihr Ja-Wort, auch viele andere Paare aus Europa. Der Dom zu Ribe hatte seinen Ursprung um 860. Der Nationalheilige Ansgar ließ ihn dort errichten. Zunächst aus Holz, später im 13. Jahrhundert wurden Steine aus dem Siebengebirge (!) dorthin transportiert, um einen neuen Dom zu bauen. Und in der ältesten Kirche Dänemarks konnten wir dann noch einmal Schuberts „Heilig, heilig…“ („Zum Sanctus“) singen. Was für ein ergreifendes Erlebnis!
Kurz vor der Abfahrt gegen 14 Uhr gaben wir noch ein „Videoständchen“ für unseren Ehrenpräsidenten Jörg Kramer. Das nächste Mal wird er sicher wieder dabei sein. Dann hieß es Abschied nehmen: Abschied von Thommy und Peter, die individuell die Rückreise antraten, und Abschied von unseren dänischen Sangesfreunden Finn und Erik. Winkend fuhren wir zum letzten Mal am Dom zu Ribe vorbei...
Unterwegs wurden wir wie auf der Hinfahrt von Andrea Werner mit Kaffee versorgt. Florian sammelte Geld für den Busfahrer ein, und auch Andrea erhielt ein Geschenk für ihre Arbeit. Chorleiter Vincent Jaufmann gab seinen ersten Eindruck von unseren Auftritten in der Kirche und von unterwegs wieder. Er betonte, dass wir noch nie so vielseitig auf Reisen gewesen seien. 26 verschiedenen Lieder wurden gesungen und 7 Kanons.
Kurz vor der Abkunft in Berlin bedankte sich unser Vorsitzender Klaus Lehmann bei Andrea, beim Busfahrer und beim Chorleiter. Um 21.15 Uhr erreichten wir schließlich den Bahnhof Zoo.
Abschließend ein Zitat von Matthias Funk:
„Es rauschte durch die Lüfte, dass uns ein paar dänische Freunde im Dezember zu unserem Adventskonzert in der Gedächtniskirche besuchen wollen… Wir sagen: Herzlich gerne und zu jeder Zeit Herzlich willkommen!“
Rudolf
Göddertz