Pop-up

geschrieben von Karl-Heinz Düspohl



Es ist schon einige Jahre her, da hörte ich erstmals den Begriff „Pop-up-Store“ und fragte mich neugierig:“ Was ist das denn?“ Dann las ich bei Wikipedia: “ Ein provisorisches Einzelhandelsgeschäft, dass vorübergehend in leerstehende Geschäftsräume einzieht, den Warenwert einer Marke steigern will und durch Mundpropaganda auf sich aufmerksam macht und der Imagepflege dient. So überraschend und schnell, wie es auftaucht, ist es auch wieder verschwunden.“

Am Abend des 24. August 2023 zogen wir Sänger der Berliner Liedertafel 1884 in das quirlige Kneipenviertel am Südstern in Kreuzberg. Ein warmer lauer Sommerabend hatte schon dafür gesorgt, dass sich die Biergärten, die sich wie an einer Perlenkette bis zur Hasenheide aneinanderreihen, gut gefüllt hatten. Noch waren die Gäste der Außenlokale ahnungslos. Wir postierten uns vor das erste auftauchende Lokal und zückten nach und nach unsere Notenblätter. Radfahrer hielten an, Passanten blieben auf dem Bürgersteig stehen. An den Tischen des Biergartens waren die ersten überraschten, neugierigen Blicke zu erkennen.

Unser Chorleiter Vincent Jaufmann hatte sich mit einem neckischen schwarzen Hut dekoriert und setzte mit kraftvoller Stimme an, um in schwungvollen Worten auf uns aufmerksam zu machen: „Wir sind die Berliner Liedertafel und proben hier jeden Donnerstag um die Ecke im Nachbarschaftsheim in der Urbanstraße.“ Und schon legten wir los…

Fröhliche Lieder wurden von uns dargeboten. Gelächter, zustimmendes Nicken. Freundlicher Applaus! Dann verteilten wir Bierdeckel mit unserem Vereinsemblem und Werbematerial, denn wir wollen ja neue Sangesbrüder gewinnen und haben in unseren Reihen begeisterte Sänger, die vor ein paar Jahren auch hier in einem der Lokale saßen und durch unser jährlich stattfindendes Kneipensingen zu uns gestoßen sind.

Also weiter ging`s. Unserer kurzes Liedrepertoire änderte sich kaum, aber die Menükarten variierten doch sehr. Italienisch, türkisch und dann wieder gutbürgerlich deutsch. Kaum hatten wir uns vor einem der nächsten Lokale aufgereiht, winkte schon eine Dame und überreichte uns freudig lächelnd eine kleine Spende. Aufmunternde Rufe, spontane Zustimmung! Es fiel mir schwer auf die Noten zu schauen, eine junge Frau nahm uns von ihrem Balkon im ersten Stock in den Blick und lauschte andächtig unseren Liedern. Es machte Spaß die Atmosphäre aufzusaugen, bevor die Tage wieder grauer werden.

Wir sind kein Pop-up-Chor. Nein! Uns gibt es schon seit unfassbaren einhundertneununddreißig Jahren. Und wenn der eine oder andere Biergartenbesucher an diesem herrlichen Kreuzberger Spätsommerabend durch unser kurzes überraschendes, plötzliches Auftauchen (pop-up) in Biergartenlaune versetzt wurde und den Weg zu uns findet, dann hat sich unsere Werbetour gelohnt, dann haben wir alles richtig gemacht!