„Der Winter ist vergangen“, so heißt eines der Lieder, die wir sangen. Und dieses merkten wir auch sehr deutlich an dem Klima, das uns im Kulturstall des Britzer Schlosses erwartete. Daher hatten die Organisatoren des Kulturstalls uns vorsorglich viele Wasserflaschen in unseren Ruheraum gestellt, die den Einen oder Anderen aufgrund des teils vorhandenen Überdruckes doch mehr erfrischte, als dieser gewollt hatte.
Wir trafen uns bereits um 13 Uhr, denn unser Chorleiter Vincent wollte die Zeit nutzen, um nochmal einige schwierige Stellen zu proben. Da dieses Konzert Heinrich Poos gewidmet war, hatten auch einige Lieder einen poos-gemäßen Schwierigkeitsgrad, der sich in entsprechen schwer zu singenden „reibenden“ Harmonien ausdrückte. Auch war die Aufstellung des Chores auf der Bühne nicht ganz einfach, denn der Bechstein-Flügel beanspruchte einen nicht unerheblichen Teil von dieser. Doch nun konnte das Konzert beginnen.
Aus meiner Perspektive als Sänger des 1. Basses haben sich alle Lieder mindestens so gut oder besser als die gelungendsten Probendurchläufe angehört. Am Beifall des Publikums konnten wir ablesen, dass dieses Konzert wohl gut angekommen ist. Aber lassen wir unsere Kritikerin Helga Engel zu Wort kommen.


von Helga Engel

Der Komponist Professor Dr. Heinrich Poos (geb. 1928), Ehrenmitglied der Berliner Liedertafel, und derjenige, dem dieses Konzert gewidmet war, konnte leider nicht zugegen sein im Britzer Schloss am Sonntag, dem 10. Juni 2018. Und das Konzert fand auch nicht im sehr hübsch restaurierten Schloss statt, sondern im sogenannten „Kulturstall“. Wahrscheinlich der ehemalige Kuhstall des Gutshofes Britz, heute schön hergerichtet als Konzertsaal mit guter Akustik. Das Frühlingskonzert der Berliner Liedertafel unter der bewährten Leitung von Vincent Sebastian Jaufmann stand unter dem Motto „Poos im Spiegel der deutschen Romantik“. Acht Werke von Heinrich Poos standen auf dem Programm, u.a. Vertonungen von Gedichten von Theodor Storm und Berthold Brecht, wobei dieser nicht unbedingt zur Romantik gehört, aber das jüngste Werk des Komponisten (2008) ist. Der Auftakt, des übrigens sehr gut besuchten Konzertes, trotz der großen Hitze, überraschte mit einem aus dem Sängerkreis gebildeten Quartett (Ruttkowski, Krantz, Schmelter, Groß) und einem sicheren Vortrag des Chores „An die Freunde“, ein von Poos vertontes Gedicht von Storm.

Im weiteren Verlauf des Konzertes war es dem Chor anzumerken, dass die Kompositionen von Heinrich Poos den „ganzen“ Sänger fordern, man spürte die Anspannung und Konzentration. Die Leichtigkeit ging ein bisschen verloren. Beim „Jägerchor“ war sie wieder da. Das war bekanntes Terrain, da konnte man loslassen und die Freude war hör- und spürbar. Eine besondere Beachtung verdient das letzte Stück vor der Pause: „Die Legende von der Entstehung des Buches Taoteking“. Der Text dieses beeindruckenden Werkes stammt von Berthold Brecht und heißt weiter: auf dem Weg des Laotse in die Emigration. Die Geschichte erzählt vom Weisen Laotse, der die Heimat verlässt, weil ihm dort die Verhältnisse nicht mehr gefallen. Er wird begleitet von einem Ochsen und einem Jungen. Bei diesem Werk wird die Liedertafel begleitet von einem fünfköpfigen Knabenchor (Knabenchor Berlin), der dem jungen Begleiter des Laotse die Stimme gab. Dieses sprachgewaltige, in der typischen von Poos komponierten Weise, war eine Herausforderung für die Liedertafel, die dies textlich und musikalisch gut meisterte.

Der Chormeister, Vincent Jaufmann, moderierte das Programm und gab interessante Hinweise über die Musik in der Romantik. Ähnlich wie bei den darstellenden Künstlern in dieser Zeit ist die Natur etwas Verklärendes, Mystisches (siehe Caspar David Friedrich). So haben auch viele Kompositionen inhaltlich oft etwas mit der Nacht und dem Abschied zu tun.

Das letzte „Gute Nacht“ von Heinrich Poos am Ende des Konzertes war eigentlich ein bisschen früh, denn es war erst kurz vor 18 Uhr, aber es war eine Stormvertonung und deswegen auch dem Motto des Konzertes angemessen. Der ehrliche Applaus der Zuhörer verlangte nach einer Zugabe. Und auch diese war dem Komponisten Heinrich Poos zugedacht: Ein „Trinklied“ und das bekannte und beliebte „Nehmt Abschied, Brüder…“ (Satz Heinrich Poos) beendete das erfolgreiche Konzert.

Die Sommerkonzerte im Britzer Schloss erfreuen schon seit längerem ein breites Publikum. Schön, dass auch die Berliner Liedertafel sich hier einmal bekannt machen durfte. In Zukunft ergibt sich hoffentlich öfter die Gelegenheit, hier konzertieren zu können. Ein Dankeschön gebührt der musikalischen Begleitung des Chores, Herrn Uwe Streibel am Klavier, und dem Knabenchor Berlin für die chorische Mitarbeit.

Es gab aber noch eine Überraschung: Nach dem Konzert bedankte sich die Gattin des Komponisten, Frau Poos, extra angereist, beim Dirigenten Vincent Jaufmann, für die gelungene Interpretation seiner Werke. Und meinte, wäre ihr Mann bei diesem Konzert dabei gewesen, wäre er sicher sehr berührt.