Totengedenken der Berliner Liedertafel 1884 am Volkstrauertag, Sonntag, 13. November 2022

Ein Bericht von Joachim Schmelter

Seit Jahren ist diese Gedenkfeier für mich stets der Höhepunkt im Vereinsleben der Berliner Liedertafel. Nicht, weil es eine der bestbesuchten Veranstaltungen der BL ist – im Gegenteil, oft findet diese Feierstunde zu ungewöhnlicher Zeit (sonntags um 11:00 Uhr vormittags) nur ein gutes Dutzend Zuhörer – auch nicht, weil unsere „Chorknaben“ einmal außergewöhnliche Lieder singen und auch nicht, weil es ein spektakuläres Ereignis ist; nein, es ist einfach die Art und Weise, in der sich die Berliner Liedertafel mit einem eindrucksvollen Programm präsentiert. So auch an diesem 13. November, bei dem sich dieses Mal tatsächlich ein bis auf den letzten Platz gefüllter Saal zeigte. Vielleicht lag es an dem anschließenden, in diesem Jahr das erste Mal stattfindende, gemeinsame Mittagessen, welches von unserem Caterer Sangar angeboten wurde, dass so viele Interessierte auftauchten, aber vielleicht auch - so hoffe ich jedenfalls - hat sich endlich das Lohnen des Besuchs dieser Veranstaltung herumgesprochen und lockte deshalb nun mehr Zuhörer an, als in den vergangenen Jahren. Sei es drum, es war jedenfalls wunderbar, dass dieser Event endlich seinen würdigen Rahmen gefunden hat!

Es begann außergewöhnlich mit dem Einzug der Sänger, denn sie stellten sich nicht wie gewöhnlich vor dem Publikum auf, sondern umringten in einem großen Kreis uns Zuhörer und begannen mit dem Gebet „Da pacem, Domine“ (Melchior Frank) erst mit einzelnen Stimmen zu singen, in denen dann nach und nach die anderen mit einstimmten, so dass endlich ein volltönender Kanon ertönte. Sehr eindrucksvoll!

Die anschließende Begrüßung der Gäste übernahm unser Vorsitzender, Klaus Lehmann, dem sich ein Prolog, vorgetragen von unserem Ehrenmitglied Gerhard Struck, anschloss. Nun kamen unsere seit Jahren schon beliebten Gastinterpreten Lothar Friedrich (Violine) und unser Korrepetitor Uwe Streibel, Pianoforte, zu Worte, oder besser: zu Noten, denn sie spielten für uns die wohlklingende Sonate in A-Dur für Violine und Klavier von Georg Friedrich Händel (1685-1759).

Im Anschluss daran präsentierten sich einzelne Chormitglieder, in dem sie aufstanden und je einen prägnanten Satz, ein Zitat oder eine passende Überlegung zum Thema Sterben und Tod vortrugen. Ein sehr beeindruckendes Geschehen, weil auch stets eine kurze Überlegungspause zwischen den Worten stattfand.

Die Lutherworte „Wie selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben“, vertont 1837 von Felix Mendelssohn-Bartholdy (Opus 115) und vorgetragen 2022 von unserem Männerchor, ließen jetzt auch noch die letzten Zweifler erkennen, warum wir alle heute hier zugegen waren: unser Anspruch, unsere verstorbenen Mitglieder stets in guter Erinnerung zu behalten, ist nach wie vor ein Gelöbnis unsererseits und wird alljährlich zum Totengedenktag eingelöst. Die anschließende Ehrung der im vergangenen Jahr verstorbenen Mitglieder übernahm unser Präsident Raimund Groß, eindrucksvoll untermalt mit den in pianissimo gespielten Tönen „Ich hatt‘ einen Kameraden“ von Uwe Streibel. Gedacht wurde an unsere seit dem Volkstrauertag 2021 verstorbenen und der BL-Familie nahestehenden Mitglieder Renate Augustat (außerord. Mitglied, gest. 21. Nov. 2021 im Alter von 86 Jahren), Branka Ljubenko (Ehefrau unseres 2. Basses Ivan Ljubenko, gest. 1. Dez. 2021, 73 Jahre), Bärbel Petzke (Förderin, gest. 30. Dez. 2021, 81 Jahre), Ingeborg Schwenke (Förderin, gest. 14. Jan. 2022, 99 Jahre), Anna-Maria Blod (Ehefrau unseres 1. Tenores Gerhard Blod, gest. 17. Febr. 2022, 82 Jahre), Katharina Gozdan, geb. Rost (akt. Mitglied, gest. 21. Sept. 2022, 56 Jahre) und an unser japanisches Ehrenmitglied Akiro Yomoto (gest. 24. Okt. 2022, 94 Jahre).

Nach einer Gedenkminute für unsere Verstorbenen sang unsere Stimmbildnerin Sigrid Höhne-Friedrich, begleitet von ihrem Ehemann Lothar Friedrich und Uwe Streibel am Klavier aus der Bach-Kantate „Es ist euch gut, dass ich hingehe“ einen Chorus mit den Worten

>> Was mein Herz von dir begehrt, ach, das wird mir wohl gewährt.
Überschütte mich mit Segen, führe mich auf deinen Wegen,
dass ich in der Ewigkeit schaue deine Herrlichkeit! <<

Schon oft hatten wir die Sangeskünste „unserer“ Sigrid bewundern dürfen, jedoch dieses Mal übertraf sie mit ihrer sanften und eindringlichen Stimme alle ihre vorhergehenden Darbietungen und uns Zuhörern lief es eiskalt über den Rücken. Den Abschluss dieser Gedenk- und Feierstunde war wieder unserem Männerchor vorbehalten. Wir hörten unter der Leitung seines Dirigenten eine Neueinstudierung, ein Lied von Reinhard Mey (geboren 1942): „Lass nun ruhig los das Ruder“. Hier heißt es im Mittelteil nach der zweiten Strophe

>> Es kommt nicht der grimme Schnitter, es kommt nicht ein Feind,
es kommt, scheint sein Kelch auch bitter, ein Freund, der’s gut mit uns meint. <<

Diese tröstenden Worte mögen allen trauernden Hinterbliebenen ein wenig von ihrem persönlichen Leid und Kummer nehmen.

Mir bleibt hier nur noch ein Danke zu sagen, Danke an alle Ausführenden, Danke auch an alle Angehörigen der genannten Verstorbenen für ihre Anwesenheit und Dank auch an alle restlichen Besucher für ihr Erscheinen, aber auch ein besonderes Danke schön an unseren Ehrenpräsidenten Jörg Kramer, der – obwohl wegen einer persönlichen Trauerfeier heute nicht anwesend – die Ideen zu diesem Totengedenken lieferte und zu dem Ablauf Wesentliches beigesteuert hat.

Gewiss, es war eine nachdenkliche Feierstunde und die mucksmäusliche Stille zwischen den einzelnen Vorträgen, ohne die sonst üblichen Unterbrechungen von Beifallsbekundungen, war sehr wohltuend und angemessen. Nun aber steht uns wieder ein Großereignis bevor: das Adventskonzert in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Auch dort wird es wieder ein ernsteres Thema sein, mit vielen Gefühlen – aber auch durchsetzt mit Vorfreude auf das bevorstehende Weihnachtsfest.

Darauf freut sich ganz besonders, 

Ihr Joachim Schmelter